Die Firma regiotec education kümmert sich um die Digitalisierung von Schulen. Während der
Pandemie ist die Nachfrage explodiert, der Geschäftsführer weist auf politische Versäumnisse hin.
„Es gibt in Lahr Schulen, die kriegen nicht einmal zehn Megabit, haben aber 60 Ipads im Einsatz. Wenn dort ein Ipad-Update von vier Gigabyte heruntergeladen wird, sind die nach einer Woche noch nicht fertig“, sagt Hendrik Hagenow-Paul, der Geschäftsführer der regiotec education. Das Unternehmen ist spezialisiert auf ITDienstleistungen und als Bildungspartner für Schulen in der Ortenau und ganz Baden-Württemberg tätig.
Der Landesregierung stellt Hagenow-Paul, was die gerade in Zeiten von coronabedingtem Fernunterricht sehr wichtige Digitalisierung der Schulen angeht, kein gutes Zeugnis aus. Die Schulträger dagegen hätten die Schulen mit voller Kraft unterstützt, sagt der 35-Jährige. Das deutsche Schulsystem kranke, es bereite die Schüler nicht richtig auf das spätere digitalisierte Berufsleben vor, sagt Hagenow-Paul. Was die Digitalisierung der Schulen betrifft, hinke Deutschland hinterher – Corona habe die Mängel offengelegt.
Nachfrage ist explodiert
Die Nachfrage nach den Dienstleistungen der Firma ist vonseiten der Schulen im Jahr 2020 „durch die Decke gegangen, geradezu explodiert“, berichtet der Geschäftsführer. Das hänge mit der Corona-Pandemie und geschlossenen Schulen zusammen, die die Lehrer plötzlich vor die Aufgabe Fernunterricht stellte. Die Landesregierung habe es versäumt, schon im ersten Lockdown von Fachteams langfristige didaktische Konzepte für die Digitalisierung der Schulen zu erstellen. „Von Schulleitern habe ich die Rückmeldung bekommen, dass sie nicht wissen, was sie machen sollen.“
Von den Behörden habe es an die Schulen zu wenig Informationen gegeben, während die Eltern ständig nachfragten, was der Stand sei. Die Lehrer hätten sich gegenseitig mehr helfen müssen, als Unterstützung von der Landesregierung kam, etwa indem sie Videotutorials erstellt und verbreitet haben. Christian Winter, der Leiter der Marketing-Abteilung von regiotec, hat als Vater mitbekommen, wie der Fernunterricht oftmals ablaufe. „Das hat mit Digitalisierung nicht viel zu tun.“ Die Lehrer würden Aufgabenblätter etwa auf der Plattform Moodle online stellen, die Schüler drucken diese aus, bearbeiten sie und schicken sie eingescannt wieder zurück, so Winter. Viel besser wäre es laut Hagenow-Paul, die Schulaufgaben gleich digital auszufüllen. „Etwa bei Multiple-Choice-Aufgaben haben die Schüler direkt eine Rückmeldung, und der Lehrer sieht sofort, wer welchen Stoff verstanden hat.“
Allein im Februar hat regiotec education knapp 1000 Ipads für 35 Schulen konfiguriert – „und die Schulträger haben uns schon mehr als 600 weitere einzurichtende Endgeräte angekündigt“, so Hagenow-Paul. Gemeinsam mit der Stadt Lahr und etwa der Breitband Ortenau, einer GmbH des Landratsamts, setzt sich der Geschäftsführer dafür ein, dass alle öffentlichen Liegenschaften im Kreis einen Glasfaser-Anschluss erhalten. Denn nur so können die Schulen in der Region die Möglichkeiten der Digitalisierung auch vollumfänglich nutzen.
Trend weg vom Beamer
Die regiotec-Gruppe entwickelt auch Softwarelösungen für den Schulalltag, um Verwaltung und Schulleben für die Schule, Eltern und Schüler zu vereinfachen. Dafür weist sie ihre Kunden etwa regelmäßig auf aktuelle Trends hin. Derzeit sei ein solcher „Weg vom Beamer, hin zur digitalen Tafel“, sagt Hagenow-Paul. Im letzten halben Jahr habe er einige Schulträger davon überzeugen können. Auf einem großen Fernseher als Tafel könnten zum Beispiel bei mathematischen Kurven per Stift weitere Details vom Lehrer eingezeichnet werden. Auf einem Rollwagen sei ein solches Gerät viel flexibler als ein Beamer. „Bessere Blickwinkelstabilität, bei Lichteinfall einfach verschiebbar – ein Beamer dagegen macht das Klassenzimmer starr, denn er muss immer neu scharf gestellt und ausgerichtet werden“, so Hagenow-Paul. Ein Klassenzimmer sei für ihn „ein lebendiger Raum, der flexibel umbaubar sein muss“. Wichtig sei, dass der Unterricht sofort beginnen kann, wenn der Lehrer ins Klassenzimmer eintritt. „Er darf maximal zwei Knöpfe drücken müssen, der Rest muss sich automatisch verbinden und starten, sonst geht zu viel Unterrichtszeit verloren.“ Denn das schlimmste wäre, wenn Lehrer aufgrund technischer Überforderung schlicht wieder auf Tafelunterricht umstellen.
Um das Handling für die Benutzer zu vereinfachen, setzt die Firma auch auf eine Vereinheitlichung der Systeme. „Wir wollen die digitale Infrastruktur der Schulen standardisieren. Bisher wird an vielen Schulen ein eigenes oder unterschiedliches System aufgesetzt, was nicht immer den Ansprüchen der heutigen Zeit gerecht wird“, sagt Winter. Durch die Schaffung von Standards würden zum Beispiel Schulwechsel für Schüler und Lehrer ohne Umgewöhnungsphase vereinfacht.
Information
Die regiotec education in Lahr ist eine Auskopplung des IT-Dienstleisters Regiotec (derzeit 36 Mitarbeiter) mit Hauptsitz in Schutterwald. Sie wurde im Juni 2020 gegründet und hat sich auf das Schul- und Bildungswesen spezialisiert. Die Firma entwickelt, installiert, betreut und wartet Netzwerksysteme und Software für mehr als 40 Schulen in der Ortenau – sowohl öffentliche, als auch private Schulen. Geschäftsführer Hendrik Hagenow-Paul (35) stammt gebürtig aus Norddeutschland und lebt seit 25 Jahren mit seiner Familie in Lahr. Der gelernte Fachinformatiker hat an der Universität Freiburg einen Bachelor-Abschluss in Informatik abgelegt und nebenbei seine Firma aufgebaut, die 2020 in der regiotec education aufgegangen ist. Schon seit 2006 hat er sich als IT-Experte auf den schulischen Bereich spezialisiert.
Quelle: Ortenau regional, Dienstag, den 06. April 2021
Autor: Dominik Kaltenbrunn
Foto: Ulrich Marx
Personen auf dem Foto von links:
Bürohund Barney
Geschäftsführer Hendrik Hagenow-Paul
die Techniker Christian Faller und Raimond Kieß
Christian Winter, Leiter Marketing der regiotec education